Entnommen: "Heimat." Beilage des "Volksbote", Trautenau; Jahrgang 1924, Seite 130 ff
Von Dr. August Stransky
"Kleinaupa!" Wer
kennt es nicht das idyllische Gebirgsdorf mit seinen grünen Matten, seinen
zerstreuten Bauden, seinen treuherzigen Bewohnern, das Ziel ungezählter
Skifahrer im schneeigen Winter, zahlreicher Touristen im sonnigen Sommer. Und
doch wissen die meistens Besucher nicht, dass das schlichte Pfarrhaus daselbst
einen Schatz eigener Art in seinem Archive birgt, einen literarischen Schatz,
wie er in dieser Form wohl keinesgleichen nicht hat, ich meine die "Stammbaumbücher
von Kleinaupa". Da ich in diesem Sommer der freundlichen Einladung des
Herrn Pfarrer Gleißner folgend einige Tage im Pfarrhause verbrachte, hatte
ich Gelegenheit, diese mir allerdings schon früher her bekannten Stammbaumbücher
eingehender kenne zu lernen und will ich dieselben für die Leser des "Volksbote"
wenigstens in groben Umrissen beschreiben und damit einen kleinen Beitrag für
die Heimatkunde beisteuern.
Was ein Stammbaum ist, dürfte wohl den meisten Lesern bekannt sein. Es
ist dies eine Zeichnung, die unter Anwendung gewisser konventioneller Zeichen
(ein Kreis für männliche, ein Quadrat für weibliche Personen)
die Verwandtschaftsverhältnisse bzw. die Abstammung der einzelnen Familien
bzw. Personen von einem gemeinsamen Vorfahren (Stamm) veranschaulicht. Solche
Stammbäume sind besonders für Seelsorger von großer Bedeutung,
weil er aus ihnen die Ehehindernisse der Blutsverwandtschaft und Schwägerschaft
rasch erkennen kann. Von diesem praktischen Standpunkte aus sind denn auch die
Stammbücher von Kleinaupa angelegt. Da infolge seiner Abgeschiedenheit
Heiraten im Orte zum großen Teil nur unter Ortsbewohnern abgeschlossen
werden, so tritt fast bei allen Eheschließungen der Fall ein, dass die
Brautleute in nähern oder weitern Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnisse
zu einander stehen, weshalb es für den jeweiligen Seelsorger von Wichtigkeit
ist, über diese Verhältnisse genau orientiert zu sein. Für das
Kirchspiel Kleinaupa sind nun in den Stammbaumbüchern für alle daselbst
jemals wohnhaften Familien in geradezu künstlerische Weise die Stammbäume
niedergelegt, soweit sie sich aus den kirchlichen Matriken zusammenstellen ließen.
Wer jemals die Aufgabe hatte, auch nur den Stammbaum einer einzigen Familie
auszufertigen, der wird die Riesenarbeit ermessen, die zu einem derartigen Werke
erforderlich war.
Diese Aufgabe hat nun für Kleinaupa der Ortspfarrer Herr Alois Krsek auf
sich genommen und in sechsjähriger mühevoller Arbeit in geradezu bewundernswerte
Weise gelöst. Der genannte Pfarrer war vom Jahre 1891 bis 1904 Seelsorger
dieser weitausgedehnten, überaus beschwerlichen Gebirgspfarre, kam von
dort nach Babice bei Chlumec, woselbst er in Pension ging und in Großborowitz
im Ruhestande lebt.
Die Stammbaumbücher von Kleinaupa bestehen aus folgenden Teilen: A. Buch
Nr. I. In schwarzem Leinwandeinband finden sich 30 Bogen starken Zeichenpapieres,
jeder Bogen 51 Ztm. hoch, 38 Ztm. breit; B. Buch Nr. II. In gleichem Einbande
25 Blatt, jeder 60 Ztm. hoch, 43 Ztm. breit. Als Ergänzung hiezu 4 einzelne
Blätter für die größten, umfangreichsten Stammbäume
und zwar die Bogen a, b, c, von gleichem Formate, jeder 1 Meter lang und 70
Ztm. hoch, der Bogen d 1 Meter 17 Ztm. lang und 85 Ztm. hoch.
Im Buche I A findet sich auf der 1. Seite folgende Vorrede des Verfassers:
Dieses Buch soll nicht bloß dazu dienen, um die allmähliche Entwicklung
und Vermehrung der Gemeinde Kleinaupa im Bilde darzustellen, sondern es soll
hauptsächlich ein Hilfsmittel dem hiesigen Seelsorger abgeben, um die Bande
der Verwandtschaft sowie auch deren Grade leichter bemessen zu können.
Weil in Kleinaupa der kanonische Dispensgrund der Augustia toei (Enge und Kleinheit
des Ortes) im höchstem Grade Geltung hat, so sind auch die meisten Familien
unter einander derart verzweigt, dass selten ein Brautpaar kommt, welches nicht
mehr oder weniger in Blutsverwandtschaft mit einander stünde. Gewöhnlich
wissen sie aber nicht mehr davon und der Seelsorger möchte dann ängstlich
alle Bücher (Matriken durchsuchen und nach der Abstammung der Brautleute
forschen. Zu dem findet man in den hiesigen Matriken vieles nicht, weil dieselben
erst vom Jahre 1784 abstammen, da bis zu dieser Zeit Kleinaupa in die Seelsorge
zu Marschendorf eingepfarrt war. Es wurde daher der nötige Zusammenhang
der einzelnen Familien nach den älteren Matriken (bis zum Jahre 1718) dieses
letztgenannten Ortes zusammengestellt.
Nur mit jenen Familien, die in Großaupa ihre Verwandtschaft haben, gelang
es nicht vollständig, weil es doch nicht möglich war, auch die dortigen
Matriken alle durchzuführen. Die einzelnen Familien sind mit einer
besonderen Farbe bezeichnet und die Folio (Blattseite) angegeben, auf welcher
dieselben zu suchen sind, und zwar die römische Zahl und die Buchstaben
nennen uns den Fundort der Hauptfamilie. Die arabischen Zahlen aber (bezeichnen)
jene Blätter, an welchen die einzelnen Familien selbst gleichsam angepropft
wurden. Da manche Familie für ein Blatt zu groß war, so wurde sie
geteilt, die abgebrochenen Zweige deuten dies an; die abgeschnittenen sollen
entweder kinderlose oder fortgezogene Eheleute andeuten. Die Kinder der letzten
Sprößlinge sind meistens mit einem feinem Zweiglein gekennzeichnet;
will mein Nachfolger sich der Mühe unterziehen, so wolle er die Ringe und
Quadrate weiter malen, so oft dieses oder jenes Kind sich zur Verehelichung
melden wird. Die letztausgezeichneten Ehen sind bis zum Jahre 1901; denn mit
diesem Jahre hat der Gefertigte diese Riesenarbeit beschlossen, nachdem er sechs
volle Jahre seine Mußestunden derselben gewidmet hatte. Wenn die Bäume
nicht immer zu schön ausschauen, so wolle man doch darüber nicht spotten,
denn 1. bin ich kein Künstler, und 2. soll ja diese Arbeit nicht das Auge
erfreuen, sondern wie oben gesagt, einem praktischen Zwecke dienen.
P. Alois Krsek.
Die vg. beschriebenen Stammbäume von Kleinaupa dürften einzigartig sein.
Im vergangenen Jahr erhielt ich eine Nachricht vom Archiv
Trautenau / Trutnov das man die dort vorliegenden gezeichneten Stammbäume von
Kleinaupa / Mala Upa in Buchform zusammenfassen wollte. Für dieses Projekt suchte
man einen Sponsor. Ob man nun einen Sponsor gefunden hat ist mir nicht bekannt.
Vor wenigen Tagen erhielt ich nun die Nachricht das die Stammbäume
zwischenzeitlich digitalisiert sind und den Umfang von 20 CD´s haben. Im nächsten
Monat will man nun Gespräche bezüglich der Kosten mit einem Verlag aufnehmen.
Leider sind nach dem Kriege, allerdings erst in den letzten
Jahren, die dazugehörigen Lagepläne aus den Jahren 1771, 1805 und 1900 abhanden
gekommen. Von diesen Lageplänen existieren verschiedene Fotos. Leider sind diese
in Teilbereichen unscharf und somit nicht lesbar.
Sollte Jemand im Besitz von lesbaren Fotos sein, dann bitte unbedingt bei mir melden.
Selbstverständlich gilt dies auch für den Verbleib der verschollenen Lagepläne.
Auf Wunsch wird Diskretion zugesichert.
Interessenten für das geplante Buch sollten sich beim Stellvertreter des Direktors des Bezirksarchives Trautenau Herrn Jirasek
oder aber
Statni Okresni Archiv (Staatliches Bezirks-Archiv)
Komenskeho 128
CZ- 541 18 Trutnov
Tel. 0042-0439-7487
Fax 0042-0439-81 52 33.
Garbsen im März 2001