Quelle: Zeitschrift "Veselý Výlet" / "Ein lustiger Ausflug" Ausgabe Winter 1994

Löwengrund

Geben sie nur zu, dass Ihnen der Name Löwengrund "Lvi dul" für Riesengebirgsgefilde doch etwas exotisch klingt. Sind die "Löwen" unberechtigterweise in die hiesige Ortsbeschreibung gelangt, oder gehören sie wirklich hierher? Woher bekam der Grund seinen Namen?

Die Heimatkunde von Trautenau aus den Jahre 1901, verfasst von dem Lehrer Josef Demuth aus Dolni Marsov (Nieder-Marschendorf) erwähnt zwei steinerne Löwen am Eingang zu einem Stollen unter den Dolsky boudy (Grundbauden). Der Lehrer Demuth leitet den Namen des Grundes gerade von diesen Löwen ab. Es ist schwer festzustellen, woher er diese Informationen hatte, aber in Anbetracht der Gründungszeit dieser Schächte im Jahre 1735 scheinen die Steinlöwen eher eine noch frühere Benennung zu widerspiegeln. Eine eigenartige Erklärung bot im Jahre 1908 der Bruder von Mikulas Ales, Josef Ales "Lyzec" genannt, an. Er ging von der Ähnlichkeit des deutschen Wortes "Löwen" mit dem tschechischen "Loven" aus. Seine Auslegungen ergänzte er durch das Argument über den Tierreichtum im Löwengrund und empfahl die tschechische Bezeichnung "Loven". Mit dem gleichen Problem befasste sich 40 Jahre später der bedeutend besser beschlagene Kenner und Schöpfer tschechischer Ortsbezeichnung des östlichen Riesengebirges, Josef Sourek. Er ließ den "Löwen" Ursprung völlig fallen und neigte sich zur früheren Erklärung, die die Herkunft in einer Verstümmelung des deutschen Wortes "Laube" Wohnung) zu Lebe (Leben) bis hin zu Löwe sieht. Er führte sogar einen gänzlich neuen Namen ein "Tichy dul" (Stiller Grund) der aber keinen Anklang fand und kurz darauf in Vergessenheit geriet. Der Topograph E. R. Petrak leitete im Jahr 1891 den Namen "Löwengrund" von einem ursprünglichen "Lawinengrund" ab, es störte ihn auch weiter nicht, dass seit Menschengedenken nie eine Lawine in diesen Grund stürzte. Auch ein Blick in die Landkarte sagt einiges aus. Die aus den letzten 40 Jahren lassen eine Benennung dieses einige tausend Hektar großen Tals ganz weg, aber ältere Karten gebrauchen einheitlich die Bezeichnung "Löwengrund". Die Karte des Jan Kristian aus Wolffsburg aus dem Jahre 1701 benennt es Leuenthal, was nichts anderes ist als eine poetische Ausdruckswiese. Dagegen gebrauchte Samuel Globic aus Bucin in seiner Karte königlicher Wälder des östlichen Riesengebirges aus dem Jahre 1668 den Namen "Lebenbach". Wahrscheinlich gerade mit dieser Benennung wurde Verwirrung in die Bezeichnung des Löwengrundes gebracht. Diese bekannte Karte wurde von vielen Autoren als Grundlage für die Metamorphose von Löwe zu Leben benutzt, wie wir das im Falle von Josef Sourek gesehen haben. Vielleicht entstand die ganze Verwirrung nur durch einen Schreibfehler des Samuel Globic. Diese Erklärung ist einfacher, als die angenommene Verstümmelung. Der grundlegende Beweis für die Ursprünglichkeit des Namens "Löwengrund" ist einer tschechisch geschriebenen Nachricht eines Beamten aus Kutna Hora (Kuttenberg) zu entnehmen, in der er am 23. September 1609 über den Zustand der Riesengebirgswälder schreibt. Heute liegt sie im Staatsarchiv in Prag. Unser Grafiker, Zdenek Petira, kopierte daraus die entscheidende Stelle: "... Talgrund, von denen einer Silberlöwe heisset". In Rücksichtnahme auf einen weiteren Text ist hier zweifelsohne von unserem Löwengrund die Rede. Die Bezeichnung "silberner" lässt die Verbindung zum Bergbau anklingen. Der Historiker des Riesengebirgsmuseums, Mila Bartos, erinnert dabei an das Bergwerk aus dem 16. Jahrhundert, "Goldener Löwe" genannt, in Svaty Petr (St. Peter) bei Spindleruv Mlyn (Sindelmühle). Die gleiche Bezeichnung fand übrigens auch Radko Tasler für ein Bergwerk in Horni Lyseciny. Wir dürfen also die Meinung äußern, dass der Ausdruck "Löwengrund" ursprünglich ist und den einstigen Ausdruck für ein Bergwerk widerspiegelt.

In den neuesten Wanderkarten erscheint nun wieder der Name "Löwengrund". Die Einheimischen haben allerdings diesen Namen immer gebraucht, und sie tun es so bis heute. Vielleicht auch deswegen, weil dem Löwengrund bis heute etwas geheimnisvolles anhaftet.

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